September 11, 2010

Das Tagebuch aus der Isolation

Erstmal eine Frage:

Wo lernen wir eigentlich unsere Freunde kennen?
So irrelevant, wie dies für all Jene sein muss, die den Bekanntenkreis nie verlassen, sein mag, so nervig und ohne zufriedenstellender Antwort ist die Sache für mich.

Aber zurück zur Frage - Wo also lernt man die Leute kennen, die man später in seinem Freundeskreis Willkommen heißt und zu Geburtstagsparties einlädt.
Basierend auf meinem persönlichen Erfahrungswert unterscheide ich hier mal 6 Kategorien.


1) Nachbar- und Verwandtschaft:


Mit den Geschwistern angefangen, breitet sich der Freundeskreis langsam aber sicher über Cousins/Cousinen und, aus primär wohl logistischen Gründen, auf die Kinder der Nachbarschaft aus.
Fußmärsche zum Nachbars-Sandkasten lassen sich auch im Kleinkind-Alter bewältigen und so stellt sich solch eine Freundschaft ideal für spontane Treffen heraus. Scheidl umschlogn und Tempel hüpfen rock!


2) Alles, was unter Ausbildung fällt (evt. ausgenommen "Ausbildung zum Taliban". Oder "Ausbildung zum Selbstmordattentäter". Obwohl, die Taliban unter sich sind vielleicht durchaus freundlich.)


Ein weiterer Vorteil der Nachbarskinder-Freundschaft ist, dass selbe meistens auch die Schulbank mit einem drücken. Gruppenbildung, Gruppenauflösung, Sitzplatzänderung und ob man im Turnunterricht ins gute Team gewählt wird, entscheiden dann meist über die Beständigkeit dieser Freundschaft.
Da die Schule aber ja sowas wie ein "merger" von Kindern aus verschiedenen Orten ist, kann man hier bereits an der Ausweitung seines Freundeskreises über die Grenzen der Nachbarschaft hinaus arbeiten.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Ich persönlich zähle viele Leute, die ich während meiner HS-Jahre kennen gelernt habe noch bzw. mittlerweile zu meinen engsten Freunden.

3) Fortgehen

- tut man ja meistens mit seinen Freunden. Kann man wahrscheinlich auch als Weg sehen, seinen Freundeskreis auszuweiten. Für die meisten wohl eher ein Weg, seine Leberwerte auszuweiten, bzw. seine Hose auszubeulen. Ähem.

4) Arbeit

"Meine Arbeitskollegen würde ich nicht als Freunde bezeichnen". Trotzdem verbringt man den Großteil des Tages mit ihnen. Tausch sich aus. Ist manchmal peinlich berührt, wenn man sie Samstag Abend in der Großraumdisco seines Vertrauens betrunken antrifft. Schweigt das Ganze dann in der Arbeit wieder tot.
Ach was red ich hier, ich hab keine Ahnung von Arbeitskollegen. Die drei Monate Arbeit in Melbourne kann man ja mehr als eine lange Zigarettenpause bezeichnen, als alles andere. :)

5) Verein

Ich war nie in einem. Aber hab gehört, dass man dort Leute kennen lernt.
Eine Freundin eines Freundes meines Ehemannes hat mich letzte Woche gefragt, ob ich mit ihr zu einem gewissen Tanzkurs kommen möchte, der irgendwas mit "Disco" heißt. Sie hat mir mit vollster Begeisterung geschildert, wie "awesome" es nicht sei, lediglich im Licht einer überdimensionalen Discokugel in einem Turnsaal einen Misch aus lateinamerikanischem und modernem (?) Tanz mit 20 anderen traurigen Seelen zu performen. Der Riesenspiegel sei jedoch etwas irritierend, sagte sie, wegen dem Spiegelverkehrtem. Aha. Nein, danke. Das Budget. You know.

6) Reisen!

Alle sitzen im selben Boot, alle haben ein Mini-Budget, alle sch**ßen auf ihr Mini-Budget, rauchen, trinken zu viel, leben im Moment, wandern, obwohl sie daheim nie wandern würden, springen von Brücken, obwohl sie das normalerweise für gefährlich halten, packen ihr Schulfranzösisch aus, um sich vor den Franzosen zu blamieren und alle sind vor allem eins: offen!


Um auf die Person, die hinter diesem Text steht zurückzukommen:

Sowohl Punkt 2 als auch Punkt 4 sind derzeit Visa-bedingt auf Eis gelegt.
Meine Nachbarschaft besteht überwiegend aus indischen und australischen Familien mit Kleinkindern - die Chance, hier "Anschluss" zu finden, wenn man selbst nicht trächtig ist oder, pardon, schon geworfen hat, ist minimal. Punkt 1 also auch für den Hugo.

Punkt 3 und Punkt 5 sind aufgrund meines leeren Geldtascherls nur bedingt möglich. Auch der Faktor Ehemann beeinträchtigt diese beiden "Freunde-kennenlern"-Wege spürbar.

Dann vielleicht doch der Disco-Scheiß. Oder Kochkurs? Pfui gagg.