October 13, 2009

The pleasures of share housing

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Share housing ist in Australien eine gängige Methode, um jungen Menschen ein Leben abseits des Elternhauses zu ermöglichen, was soviel bedeutet wie Freiheit, ohne sich in Unkosten zu stürzen.

Meist kauft irgendwer ein Haus, welches er dann zu 90 Prozent an Wildfremde vermietet, um den Kredit abbezahlen zu können.

Klingt paradox, nicht wahr? Wieso sollte sich jemand, der frei sein will, ein Haus kaufen, um es dann erst recht wieder mit zig Leuten teilen zu müssen? Von den Schulden mal abgesehen.


Dazu muss man wissen, dass sich eine Wohnung mieten hier das ist, was bei uns bis vor einigen Jahren noch der Einkauf bei Hofer war. Kommt ausschließlich für sozial Schwächere in Frage. Hinzu kommt natürlich noch der Aussi-Freiheitsdrang, den man in einer Mietwohnung schlecht ausleben kann.
Auch nicht zu vernachlässigen - der enorme Spassfaktor.


Vom Hotel Mama ins Hotel Wahnsinn

Ohne vorher allein gelebt zu haben, habe ich mich also vor 5 Wochen dieser Herausforderung gestellt. Nach einer einwöchigen Eingewöhnungsphase konnte ich mich dann schön langsam mit der Tatsache abfinden, dass Privatsphäre Luxus, Hygiene überschätzt und Stehlen Ansichtssache ist.

Was es hier dafür auch nicht gibt, ist Langeweile. Zumindest nie lange. Denn ist hier jemandem mal fad, so lassen sich in diesem Haus dutzende Reibungspunkte finden, mithilfe deren man wengistens ein kleines "argument" vom Zaun brechen kann. Ganz nach dem Motto: "Let's find some trouble". Danke, Jamie T.

Reibungspunkt 1: Abwaschen


Bei einer Hausbelegschaft von gegenwärtig 12 Leuten, aber einem Geschirrbestand der auf maximal 6 Personen ausgerichtet ist (und nur 1 lausiges Schneidbrett!!!), wird es hier als zwingende Maßnahme angesehen, gelegentlich sein Geschirr zu spülen. Dieses "gelegentlich" ist ein durchaus dehnbarer Begriff, würden die Einen ja am liebsten gleich während dem Essen abwaschen und die Anderen gerne auch mal den Schimmel sprießen sehen. Ein interessantes Phänomen, welches es hier außerdem zu beobachten gibt, ist die Abscheu vor dem Geschirrspüler. Selbts wenn er randvoll ist, wird er in diesem Haus nicht eingeschaltet, sondern jedes eingeräumte Gefäß behutsam und nach Bedarf wieder entnommen und von Hand gespült.

Reibungspunkt 2: Nahrungsmittel-Diebe


Ein provisorischer Henkel gehalten von einem Spax, den unser Hausbesitzer gekonnt in die Seitenwand gerammt hat, hält unsere Kühlschranktür davon ab, sich selbständig zu machen.

Denn der Kühlschrank ist unser Heiligtum. Alle hartverdienten und wohlschmeckenden Lebensmittel und Getränke werden hier liebevoll verstaut. Man muss dazu erwähnen, dass jeder seine eigene, gefinkelte Stapel-Technik entwickelt hat, nein, entwickeln musste, denn ein 1/2 bis 1/4-Kühlschrankfach ist wirklich nicht soviel, wie man sich das vielleicht vorstellt. Nun gibt es hier die Profis, die einen Wochenbedarf an Lebensmittel auf einem Platz so groß wie die Hand vom Höller (und zwar die normale) verstauen können, ohne dass die Hauskollegen auch nur erahnen können, was der/diejenige alles Köstliches eingekauft hat.

Ganz großen Spass hat man hingegen mit den Amateueren im Kühlschrank-Stapeln. Sie können grundsätzlich NIE alles unterbringen, was sie kaufen und machen laufend denselben Fehler: das gute Zeugs oben hinlegen.
Denn genau das reizt die Nahrungsmittel-Diebe.
Nahrungsmittel-Diebe sind ganz gemeine Hunde. Sie stehlen nämlich stets genau DAS aus deinem Fach, worauf du dich den ganzen Tag während der Arbeit gefreut hast. Natürlich lässt sich der Dieb nie ausfindig machen, es sei denn, man ist so beharrlich wie mein deutscher Sportstudenten-Kollege und fragt jeden sich im Haus befindenden Menschen, unschuldige Besucher inklusive, ob er seinen billigen Käse gegessen hat. :) sorry, kai.

Reibungspunkt 3: Müll rausbringen



Auch hier lassen sich verschiedenen Typen unterscheiden. Die einen sind die notorischen Müll-Rausbringer. Sie ekeln sich beim Anblick von Eierschalen, Plastikflaschen und Pizzakartons.
Dann wären noch die, die sowohl olfaktorisch als auch visuell abschalten. No worries.


Der dritte, und meiner Meinung nach auch interessanteste Typus, da mich zumindest seine Vorgehensweise sehr stark an mein Elternhaus erinnert, ist derjenige, der mithilfe seines Körpergewichtes versucht, das Volumen des Müllberges zu komprimieren, um zumindest noch seinen eigenen Dreck reinpacken zu können.
Ich selbst würde mich übrigens als eine Mischform aller drei Typen bezeichnen. :)

Reibungspunkt 4: Rauchen






Nicht wirklich als Reibungspunkt zu sehen. Flexible Regelung. Grundsätzlich gilt aber, normale Zigaretten draußen, alles andere drinnen rauchen. "Weil die Nachbarn das sonst riechen", sagt der Hausbesitzer.

Bei Partys ist jedoch alles egal.


Reibungspunkt 5: Badezimmerfußboden

Eine Faustregel beim Share-Housing: Betrete NIEMALS den Badezimmerfußboden OHNE festes Schuhwerk.

Und obwohl hier doch manchmal gewischt wird, kann man sich NIEMALS auf die optisch vorgetäuschte Sauberkeit verlassen. Man weiß ja nie, wer wieder welchen Pilz oder Virus angeschleppt hat. Das Hygiene-Problem ist an sich ja schon ein großes (Küche - ohne Worte), aber im Badezimmer spitzt sich die Lage erheblich zu. Von ekelig langen, kringeligen Haaren bis zu gelblich-suspekten Substanzen lässt sich hier bei genauerem Hinsehen alles finden. Desinfektionstuch sei Dank ist es dennoch kein Ding der Unmöglichkeit, sich beruhigt der täglichen Körperpflege zu widmen. Für Pärchen ist das Bad übrigens absolute Tabuzone, da von allen genutzter Raum...wird hier jedoch aktiv ignoriert.


Reibungspunkt 6: DER Film
Der allwöchentliche DVD-Abend, der sich vor allem bei der arbeitenden Belegschaft auf einen täglichen DVD-Abend vermehrt hat, verlangte nach einer ganz gefinkelten Lösung.
Denn bei 12 Personen, die sich charakterlich so unterscheiden, wie ein Wirma von einem Ditsch, muss man erst einmal den Film aussuchen.

Um es kurz zu machen, sowohl Horror- als auch Liebesfilme wurden aussortiert, The Mighty Boosh (grandios!!!) und Action stehen auf dem Programm. Und da jeder zu geizig ist, für alle einen Film auszuleihen, gibt es immer dasselbe zu sehen. Wurde in den letzten 4 Tagen schon dreimal Zeuge, wie Edward Norton Ikea-Möbeln nachheult und Matt Damon sich ein Tête-à-tête mit Leonardo DiCaprio auf einem Dach gibt. ...





Ein Buchtipp zum Thema:

"He died with a Felafel in his hand" von John Birmingham