October 20, 2010

Tame Impala, 16.10.2010 at the Tivoli, Brisbane

Für uns Europäer scheint die australische Musikszene genauso interessant und relevant zu sein, wie beef jerky und Koalas.
Um genau zu sein, ist sie für uns daheim, weder in Medien, noch in den Köpfen von Musikliebhabern, existent. Zähle mir die 5 Länder mit den interessantesten musikalischen Künstlern auf - Australien ist nicht dabei.

Ein Blick auf die Referenzliste, die einem ganz ohne Fachwissen in den Sinn kommt:
Da waren mal Silverchair vor hunderten von Jahren. Jet hat man 2009 wieder am Frequency Festival gesehen. Empire of the Sun. Pnau. Pendulum. Parkway Drive.
Aus.

Und doch tut sich auf dem roten Koninent, der keiner ist, so viel mehr. Im "Rave"-Magazine, dem auflagenstärksten Street-Press Musikmagazin in Queensland, wurden diese Woche über 400 Musiker und Bands allein im Raum Brisbane gelistet. Das Potential ist also enorm und ich erlaube mir zu behaupten, dass fernab von East London, Borlänge und Hamburg auch eine andere musikalische Freiheit herrscht. Ohne Rahmenlinie. Ohne New Rave. Oder zumindest weniger davon.

Einen dieser Goldschätze durfte ich letzten Samstag begutachten. Psychedelic-Rock-Group Tame Impala aus Perth, WA, spielten im Tivoli Theatre in Brisbane auf. Unterstützt wurden sie von Felicity Groom, ihreszeichen eine ebenfalls aus Perth stammende Folk-Singer/Songwriterin und den Lokalhelden von The John Steel Singers.

Tame Impala at the Tivoli Theatre

Aufgrund meines katastrophalen Time-Managements habe ich natürlich den ersten Support-Act nicht gesehen. The John Steel Singers machten das Verpasste jedoch für mich wett.
Neun überaus talentierte und, was viel mehr zählt, passionierte Künstler, gepfercht auf eine mittelgroße Bühne machten musikalisch, so viel sei vorweg genommen, den Abend aus.Mit polyphonem Gesang, Blasinstrumenten, Keyboard und einem Kurzbesuch des "Tame Impala"-Schlagzeugers, der für zwei Lieder die Wucht der Drums verdoppelte, waren die Sänger beides, innovativ und unterhaltsam. Langeweile, die man so oft in den Gesichtern der eingefleischten Fans antrifft, wenn der Support spielt, suchte man hier vergebens. Zugegeben, ein wenig Kelly-Family-Flair kam schon auf, bei der Masse an Menschen auf der Bühne und ihrem easy-going sound. Die Masse vor der Bühne sprach aber für sich selbst. Und zum ersten Mal durfte ich hier in Australien, dem Land der unterkühlten Hobby-MusikexpertInnen, auch mal ein Publikum tanzen sehen.
Und mit Publikum meine ich außer mir auch die Leute, die um mich herum gestanden sind.


Das schwere Los des Supports ist ja bekanntlich, die Fans nicht zu langweilen, sondern für den Hauptact aufzuheizen. Die John Steel Singers haben mit ihrem Auftritt den Hauptact diesmal etwas überschattet. Vielleicht war es die Reizüberflutung, vielleicht auch die familiäre Athmosphäre, die die neun Künstler schafften. Fest steht jedenfalls: die Luft war nach ihnen etwas raus.

Tame Impala, musikalisch einwandfrei, freundlich und sympathisch spielten einen, oh wie schön ist das Wort, soliden Auftritt. Mit "Soltitude is bliss" als zweiten Song könnte man meinen, das Hit-Pulver wurde am Anfang schon verballert. Und tatsächlich wurde der Publikums-Pilz spürbar kleiner.
Auch die Kommunikation mit den Zuschauern wurde durch den psychedelisch Hall, der aus dem Mikrofon kam, erschwert. Da möchte man doch nach einer Europa-, US- und Australientour meinen, der Tonmann hätte inzwischen gemerkt, dass keine Sau den Sänger beim Reden versteht, wenn der den Effekt nicht wegschaltet. Aber wer weiß, vielleicht ist das ganze ja Part der Show.
Tame Impala boten vierzig Minuten voll schöner Songs, stimmungsvollen Visuals und einem friedlichen Flair, der jeden Menschen im Raum zu deinem Freund werden ließ. Back to the Sixties.Der Ticketpreis von AUD 42,50 wurde sicher nicht mit der Länge des Sets gerechtfertigt, dafür aber mit der Qualität des Supports und dem schönen Arrangement. Nicht zuletzt die Location trug, Teppichboden und Theatervorhänge sei Dank, zur Intimität des Auftrittes bei. Mein Fazit für den Gig ist, dass die Herren genau das tun, worauf so viele Leute schon lange gewartet haben, nämlich, dass es hier wirklich nur um die Musik geht. Die dezenten Visuals waren hier Unterstützung und nicht Ablenkung oder Verwirrung. Keine Fleischfetzen als Kostüm. Plain Rock'n'Roll.

Wer also ein Konzert ohne Kitsch, Schnörkel und Ego-Auskotzung des Frontmannes schätzt, sollte am 8. November im B52 in Wien vorbei schauen. Tame Impala spielen ihr einziges Österreich-Konzert, bevor es weiter in die Staaten geht.

Ps: all pictures taken from inthemix.com.au
Weil man selbst ohne Presseausweis nicht darf.