November 03, 2010

a day in the life of

Ich habe versucht, darüber zu schreiben, wie sich ein normaler Tag in meinem Leben gestaltet. Die Tatsachen, dass ich meist erst dann aufstehe, wenn andere schon Mittag machen, ich mich überwiegend von Kaffee ernähre und der Höhepunkt meines Tages wohl ist, CD-Kritiken auf laut.de und pitchfork zu lesen, habe ich mich dagegen entschlossen. Und weil man bei einem eher "entspannten" Tagesplan wie meinen viel zum Beobachten kommt, handelt dieser Post von meinem Mitbewohner, von dem ich überzeugt bin, dass er freiwillig und permanent ein NOCH tristeres Leben führt, als ich es gezwungenermaßen gerade tu.

Dieser Typ, ich nenne ihn jetzt einfach mal "Karl", weil "Karl" ein recht einfacher, eingängiger Name und weder großartig positiv, noch negativ behaftet ist, wohnt bei uns im Keller.
Da kommen bei einigen wohl bereits die Fritzl-Parallelen auf, aber nein, Karl wohnt freiwillig im Keller, weil er sich da unten ganz gut eingerichtet hat. Außerdem scheut Karl das Tageslicht ein wenig.

Karl ist zweiunddreißig Jahre alt und hat keine Freundin oder Frau, genaugenommen schätzt er Gesellschaft nicht sehr. Er kann dafür eine umfangreiche Pornosammlung und ein volles Regal voll DVDs und Playstation-Games sein Eigen nennen. Und damit kann man sich monatelang beschäftigen, ohne auch nur ein einziges Mal seine Energie in Konversation und Pflege der sozialen Kontakte zu verschwenden.

Als ich eingezogen bin, hatte der gute Karl noch eine Freundin. Die Definition einer Freundin ist für Karl folgende: Ein bis zweimal in der Woche darf sie vorbeikommen, für den Angebeteten kochen, Wäsche waschen, die Nacht bei ihm verbringen, um am Morgen danach sang- und klanglos zu verschwinden und treudoof auf den nächsten Anruf zu warten.

Die ganze Beziehungskiste und der Stress, der damit einhergeht, waren ihm auf Dauer einfach zu viel.

Wenn du dich jetzt gefragt haben solltest, was der Karl denn beruflich so macht, so wird dich die Antwort darauf wahrscheinlich nicht überraschen: nix.
Mir wurde gesagt, dass es mehrere Varianten seiner Lebensgeschichte gibt. Ich wurde in folgende eingeweiht: Er hat eine Immobilie geerbt, sie verkauft und lebt jetzt von diesem Geld. Zugegeben, ich habe selten jemanden getroffen, der ein Leben im Keller eines über 50 Jahre alten Hauses gegenüber seinen eigenen vier Wänden bevorzugt. Und wer mir jetzt mit dem Geldaspekt kommen möchte, so kann ich dir versichern, dass sich mit der Vermietung einer Immobilie hier weitaus mehr Geld machen lässt, als mit dem Verkauf.

Ok, vielleicht ist er nicht der große Kapitalist (beim Thema "Rechnungen bezahlen" kann er jedoch äußerst unangenehm werden), man denkt sich jedoch bei der ganzen Unlogik doch seinen Teil.

Um seinem Leben erneut einen Sinn zu geben, hat er sich Anfang des Jahres zu einem Chemiestudium durchgerungen. Überraschenderweise sieht er sich in ein paar Jahren sogar in einem Beruf. Er möchte jedoch vorher selbst ein neues Element entdecken, welchem er dann "einen rassistischen Namen" geben möchte, sodass jedem die Aussprache möglichst unangenehm ist.

Nicht nur seine Zukunftspläne betreffend, hat er hohe Erwartungen: auch seine Traumfrau sollte gewisse Erwartungen erfüllen. Die perfekte Frau hat, laut Karl, (echte) DD Brüste, Hosengröße 34, macht Ausdauertraining und Pilates, ist erfolgreich im Beruf, lässt sich im Alltag nicht gehen, hat eine interessante Persönlichkeit, wird ihm NIEMALS langweilig (sein Hauptproblem, sagt er, was Frauen angeht), macht die Hausarbeit und wartet abends in Reizwäsche und Stripperschuhen sehnsüchtig auf dem Tigerfell vorm Kamin auf den scharfen Karl.

Karl himself kann natürlich auch nicht mit Reizen geizen. Sollten der oben geschilderten Überfrau seine schwarz gefärbten Haare und sein Bierraunzn nicht genügen, so kann sie sicher vom fadn Aug, der Oberarmtätowierung, definitiv aber von seiner einwandfreien Wohnsituation (s.o.) überzeugt werden.

Gud Lack, mehr gibt es dazu nicht zu sagen.